Er hatte einige Spitznamen: Floyd Nose, abgeleitet von einem Gitarrenteil (Floyd Rose), und Bezug nehmend auf seine zugegebendermaßen etwas überdimensionierte Nase. Oder auch Herr Nase, Herr F. Louis (Sonnenkönig und so, ne) Nase, um seiner häufig zur Schau gestellten Aristokratie, Selbstherrlichkeit und Überheblichkeit Rechnung zu tragen. Oder, wie meine Schwester ihn zu nennen pflegte, wenn er sich mal wieder total vornehm vorkam: Lord George William Floyd.
Floyd war nie ein einfacher Hund. Ich bekam ihn aus dem Tierheim, wo er gelandet war, weil er die Kinder in seiner Familie gebissen hatte. Wie ich im Nachhinein heraus bekam, war auch sein Züchter nicht unbedingt ein Vorbild für seine Art. Er achtete bei der Elternauswahl nur auf das Aussehen und ließ das Wesen komplett unbeachtet. Auch die Haltung der Hunde und der Umgang mit ihnen waren in meinen Augen katastrophal. Hier wurde sicher der Grundstein für Floyds Probleme gelegt.
Die meiste Zeit war er ein fast normaler Hund, der die typischen Terrier-Macken in vollster Auspägung hatte. Er pöbelte andere Hunde an, wenn er an der Leine war, hörte überhaupt nicht mehr, wenn er seine Nase in einem Mauseloch versenkt hatte, jagte und kläffte gern und bei jeder Gelegenheit. Zusätzlich hatte er aber auch richtiggehende Aussetzer. Einmal verbiss er sich aus heiterem Himmel im Flur in ein Paar Stiefel, dass dort rum stand. Danach war er kaum ansprechbar und hat auch unter sich gemacht. Meistens landeten solche Attacken in der Leine, einige Male leider aber auch in meinem Arm. Ich war mit ihm bei einer Verhaltenstherapeutin, was auch für seine Erziehungs-Probleme einiges gebracht hat, die Attacken aber auch nicht stoppen konnte. Sie traten zuerst sporadisch auf, wurden aber mit der Zeit immer schlimmer und wir kamen zu dem Schluss, dass bei Floyd wahrscheinlich keine reine Verhaltensstörung vorlag, sondern es vielleicht ein organisches Problem geben müsste. Leider verstarb er bevor ich ein CT durchführen lassen konnte und die anderen Tests waren negativ. Ich werde also nie erfahren, ob er tatsächlich krank war oder ob es vielleicht an mir gelegen hat, dass ich trotz aller Mühe und aller Gedanken, die ich mir gemacht habe, der Verhaltensänderungen meinerseits und aller Anstrengung ihn keinen Stresssituationen auszusetzen, nicht in der Lage war, seine Verhaltensstörung in den Griff zu bekommen. Ich hatte darüber nachgedacht, ihn obduzieren zu lassen, doch ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass jemand meinen Herrn Nase auseinander schneidet und in alle Einzelteile zerlegt. Geholfen hätte es ihm auch nicht mehr, aber vielleicht hätte ich Gewissheit gehabt.
Viele Leute, die ihn kennen gelernt haben, haben mir gesagt, ein Hund, der so unkontrolliert und gefährlich sei, habe kein Recht zu leben, doch ich kannte ihn auch anders. Schmusig, ja geradezu liebeshungrig, als kleinen Charmeur bei Menschen und vor allem bei Hundedamen und als liebenswerten Schoßhund. Lee war sein Ein und Alles und nur bei ihr konnte er Ruhe und Frieden finden.
Auch sie hat ihn abgöttisch geliebt.
Auch wenn unser Verhältnis zueinander zum Schluss sehr von seinen Beißattacken überschattet war, vermisse ich ihn noch heute sehr. Möge er es dort wo er jetzt ist leichter haben und glücklich sein. Er hat mich viel gelehrt und wird immer mein Mupf bleiben.
1 Kommentar:
Hach, mein Lord George William... *seufz* Der fehlt mir, derr Herr Nase...
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